BREATH-WissenschaftlerInnen sind der primären ziliären Dyskinesie auf der Spur

Fortschritt bringt ein In-vitro-Modell des Atemwegsepithels auf Basis humaner induzierter pluripotenter Stammzellen 

 

Die primäre ziliäre Dyskinesie (PCD) ist eine seltene, heterogene genetische Störung mit weitreichenden Folgen. Noch ist es zu keinem entscheidenden Durchbruch in der Therapie gekommen, denn die Zusammenhänge sind komplex, Zellmaterial ist knapp. Ein großer Schritt in die richtige Richtung ist nun in der Arbeitsgruppe von BREATH Wissenschaftlerin Dr. Ruth Olmer am Leibniz Forschungslaboratorium für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) an der Medizinischen Hochschule Hannover gelungen. Laura von Schledorn, Doktorandin in der Arbeitsgruppe, konnte in einem In-vitro-Modell für PCD mit Zilien-tragenden Atemwegsepithelzellen auf der Basis von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSC) in Air-Liquid Interface Zellkulturmodellen die Zusammenhänge zwischen Mutationen in den Genen DNAH5 und NME5 mit dem erkrankten Phänotyp zeigen.

Die bei der PCD auftretende Dysfunktion beweglicher Zilien in den Atemwegen geht mit einer reduzierten mukoziliären Clearance einher. Pathogene Keime setzen sich im Respirationstrakt fest und induzieren eine chronische Entzündung der Atemwege, was letztlich zu einer fortschreitenden Zerstörung von Lungengewebe führt. Trotz des großen medizinischen Bedarfs und intensiver Forschung auf diesem Gebiet steht bis heute keine kurative Therapie der PCD zur Verfügung. Seit geraumer Zeit wird jedoch nach wirksamen Therapieprinzipien gesucht. Laura von Schledorn näherte sich der Herausforderung über ein In-vitro-Modell an, basierend auf Atemwegsepithel in Air-Liquid Interface Zellkulturmodellen, abgeleitet aus hiPSC. Diese Zellen lassen sich im Labor unbegrenzt vermehren und zu Zilien-tragenden Atemwegsepithelzellen differenzieren.

Anhand von Transmissionselektronenmikroskopie, Immunfluoreszenzfärbung, Messung der Schlagfrequenz der Zilien und des mukoziliären Transports konnte Laura von Schledorn zeigen, dass mit Zilien besetztes Atemwegsepithel, abgeleitet aus hiPSC von PCD-Patienten, die Mutationen in den Genen DNAH5 und NME5 tragen, den Krankheitsphänotyp auf molekularer, struktureller und funktionaler Ebene widerspiegelt.

Zilienforschung im Fokus

Bis jetzt lassen sich PCD-verursachende Mutationen auf mehr als 50 Genen nachweisen. Die Folge sind verschiedene funktionale Defekte, von der abnormalen Schlagfrequenz bis zur kompletten Abwesenheit von Zilien. Je nach zugrundeliegender Mutation können auch angeborene Herzerkrankungen und verringerte Fertilität auftreten. Die aktuelle PCD-Forschung fokussiert auf die Identifikation dieser krankmachenden Mutationen. Mit der hier besprochenen Arbeit ist es gelungen, ein In-vitro-Krankheitsmodell für PCD zu etablieren, das den Krankheitsphänotyp auf molekularer und funktioneller Ebene widerspiegelt. „Mit der erfolgreichen Modelletablierung verfügen wir nun über eine Plattform, die es uns ermöglicht, Patienten-spezifische Pathomechanismen weiter aufzuklären, die Wirksamkeit innovativer therapeutischer Ansätze auszutesten und neue potentielle Therapeutika im Rahmen von Hochdurchsatz-Screenings zu identifizieren“, erläutert Laura von Schledorn. Ob es schon in den nächsten Jahren zu einem klinisch relevanten Durchbruch in der PCD-Forschung kommen wird, scheint dagegen eher fraglich. Zwar hat die Forschung der letzten Jahre bereits eine Vielzahl PCD-relevanter Gene identifiziert und neue diagnostische Methoden hervorgebracht, jedoch bleibt die PCD-Diagnostik ein langwieriger Prozess und Therapiemöglichkeiten sind weiterhin ungenügend.  Aufgrund der genetischen Heterogenität der Erkrankung ist die Entwicklung einer allgemein wirksamen kurativen Therapie vermutlich nicht realisierbar, so die Einschätzung von Dr. Ruth Olmer. „Wir sind jedoch optimistisch, dass die Zuhilfenahme komplexer Krankheitsmodelle das Verständnis zugrundeliegender Pathomechanismen und die Entwicklung verlässlicher diagnostischer Methoden vorantreiben und die Identifizierung und Validierung von Therapeutika ermöglichen wird, und somit letztendlich der Weg für personalisierte Medizin geebnet wird.“

Die Ergebnisse wurden im renommierte Fachjournal Cells veröffentlicht:
von Schledorn, L.; Puertollano Martín, D.; Cleve, N.; Zöllner, J.; Roth, D.; Staar, B.O.; Hegermann, J.; Ringshausen, F.C.; Nawroth, J.; Martin, U.; et al. Primary Ciliary Dyskinesia Patient-Specific hiPSC-Derived Airway Epithelium in Air-Liquid Interface Culture Recapitulates Disease Specific Phenotypes In Vitro. Cells 2023, 12, 1467. . https://doi.org/10.3390/cells12111467  

Text: BREATH AZ/ L. von Schledorn
Foto: L. von Schledorn

Laura von Schledorn an der Laborbank